ERSTE NACHT

 

Meine erste Nacht im Wald war gekennzeichnet von 1,5 Stunden Schlaf. :-)

Ich bin mit einer Bekannten losgezogen und ich habe lange gewartet, bis ich endlich jemanden fand, der mit mir geht. Denn eines war glasklar. Das erstemal würde ich auf keinen Fall alleine gehen!

Wir haben uns also ein schönes Plätzchen gesucht und unser "Lager" aufgebaut. Zuerst einmal Hängematten aufgehängt und dann Kaffee und was zu Essen rausgeholt.

Meine Hängematte war ja klugerweise mit integriertem Moskitonetz, aber wer geht schon um 19.00 Uhr ins Bett? Na, wir haben es uns dann auf dem Boden gemütlich gemacht und wollten erst mal Abendessen. Die Freude hielt gar nicht lange an, da die Mücken in Scharen um uns herum flogen und auf uns drauf. Meine Bekannte hatte sich ein mobiles Moskitonetz, das eigentlich fürs Bett im Haus vorgesehen ist, mitgebracht und das hatten wir bereits gemeinsam mit viel Kreativität um ihre Hängematte herum gehängt. Es war ein weißes Moskitonetz, welches wahrlich in der Dunkelheit nur so leuchtet. Kann ich also schon mal nicht empfehlen. Jedenfalls war klar, das mit dem gemütlichen Abendessen konnten wir komplett vergessen. Es mußte Abhilfe geschaffen werden. Wir kamen also auf die Idee, ihr mobiles Moskitonetz wieder abzubauen und es für uns zum Essen herzurichten. Also alles umgebaut. Dann saßen wir, leider schon sehr zerstochen, endlich in Frieden unter dem Netz und konnten uns entspannt die Zeit vertreiben, bis wir soweit waren, in unsere Hängematten zu klettern, um zu schlafen. Natürlich mußte das "Abendessen-Moskitonetz" vorher wieder zum "Hängematten-Moskitonetz" umgebaut werden.

Nunja, dann kamen die Stunden des "auf sich gestellt seins". Denn auch, wenn ich nicht alleine war, so war meine Bekannte doch mindestens vier Meter von mir entfernt. Und ich lag allein in meiner Hängematte. Das Unterhalten hört auf, das einander ansehen hört auf, das bei einander sitzen hört auf. Es wird still und ich war allein. Ich begann zu hören, was ich nicht hörte, als ich noch sprach, zuhörte oder beschäftigt war. Den Wind. Rascheln. Knacken. Leises. Zusammenhängendes. Unterbrochenes. Schritte. Einen - zwei. Dann nichts mehr. Länger nichts. Dann Schritte. Einen - zwei. Nichts. Mein Kopf strengte sich sehr an, herauszufinden, wer all das verursachte. War es vielleicht ein Mensch, der immer nur zwei Schritte ging und dann stehen blieb? Unwahrscheinlich, aber es ließ mir keine Ruhe. Ich war wach. Hellwach. Lauschte. Schaute aus meinem Moskitonetz nach draußen. Rechte Seite. Linke Seite. Ich sah nichts. Es war nicht so dunkel, wie man denkt - aber dunkel durchaus. Jedenfalls dunkel genug, um nicht wirklich ausmachen zu können, was sich bewegt. Dann fielen von oben dauernd Regentropfen herunter. Aber wenn sie unten ankamen, knackte es. Hier - dort - da hinten - rechts - links - überall. Nach einigen Stunden - so gegen 2.30 Uhr - dachte ich: Mir reichts! Ich muß mir das "ansehen". Ich stieg also aus meiner Hängematte aus, setzte mich unter einen Baum und beobachtete die Nacht. Und während ich so da saß, fiel mir eine Eichel auf die Schulter. Links. Rechts. Dann eine auf die Beine. Aaaaah! Dieser knackende Regen sind Eicheln, die regelmäßig von den umliegenden Bäumen aufs Laub fallen! Super! Hatte ich das schon mal rausgefunden. Dann erkannte ich, dass der Wind übers Laub strich. Über das auf dem Boden liegenden Laub. Das hörte sich wie Schritte an, die immer wieder verebbten. Puh. Also kein Mensch. Kein großes Tier. Das voranschritt und dann stehen blieb. Es war der Wind, der Wind - das himmlische Kind. 

Eineinhalb Stunden saß ich so unter dem Baum und beobachtete, fühlte und spürte nach, was sich da um mich herum alles tat. Rascheln hörte ich auch, nur konnte ich nicht sehen, was dazu passen könnte. Es mußte eine Maus sein. Ich hörte - aber ich sah nichts - das bedeutete, es war etwas Kleines. Sehr kleines. Jedenfalls nichts Bedrohliches. Langsam wurde ich müde. Ich kletterte also zurück in die Hängematte und beobachtete mich selbst. Konnte ich nun entspannter sein? Geräusche, die ich nun besser einordnen konnte, veranlassten mich nicht mehr, den Oberkörper hochzuheben, um aus der Hängematte zu luken. Ich hörte sie sehr wohl und völlig frei von - da könnte was Gefährliches kommen - war ich nicht. Ich meine, ich liege hier mitten in freiem Raum zwischen Bäumen, ohne Türen, ohne Wände, nichts zum Abschließen oder Zumachen - an mich kann man direkt einfach so ran. Das allein ist schon sehr gewöhnungsbedürftig. Sehr sehr sehr gewöhnungsbedürftig. Trotzdem ist die erste Nacht ohne besondere Vorkommnisse verlaufen. Kein Uhu, kein schreckendes Reh, kein schreiender Fuchs, keine Vögel, die aus der Stille heraus auf einmal einen Schrei loslassen.

Der Schlaf hat mich übermannt. Für eineinhalb Stunden. Dann wurde ich von den Vögeln wieder geweckt, die ja ein ordentliches Orchester veranstalten.

 

Ich hatte es überstanden! Und ganz ehrlich, hätte es mich nicht so dringend in die nächste Waldübernachtung gezogen, hätte ich nicht dieses unbändige Bedürfnis, mit dem Wald zu sein und zwar abseits der Spazierwege und auch abseits der Zeiten, in denen "man" so im Wald seine Zeit verbringt - hätte ich das im Leben nicht nochmal wiederholt!

 

Ich bin dann noch viermal mit unterschiedlichen Freundinnen gegangen, einmal mit einem Kumpel, und jede Nacht war anders. Die meisten von denen, mit denen ich war, hatten erst mal genug von dieser Erfahrung. "Das ist mir zuviel Adrenalin", war oft die Antwort, wenn ich fragte, ob wir wieder losziehen wollen. Und das stimmt schon auch! :-)

Bei den ersten Waldübernachtungen sollte man den nächsten Tag frei haben. Damit man den nicht stattgefundenen Schlaf nachholen kann.

 

Meine Nacht mit dem Kumpel hatte mich so gefreut. Ich gehe mit einem Mann! Das hatte ich mir mal so gewünscht, einen Beschützer, der stark ist, auf jedenfall stärker als ich, das sollte mir mal ein Gefühl von guter Sicherheit geben. Mit ihm war ich im Siebengebirge. Wir hatten einen Platz gefunden direkt an einem Felsen, also hinter uns ging es mal unwegsam hoch - Schutz.

Wir hatten eine gerade Fläche gefunden - (ich war mittlerweile von der Hängematte auf den Boden umgestiegen und mir ein Moskitonetz-Popup-Zelt gekauft. Darin kann man auch gut zu zweit erst mal die Zeit mit Kaffeetrinken oder Essen verbringen, bevor ich dann darin schlafe und der Andere seinen eigenen Schlafplatz einnimmt) -  gleich nebenan ging es wieder bergab in den weiteren Wald. Dort hatten wir uns auch umgesehen, ich hatte aber Veto eingelegt, weil ich Wildsschweinspuren an Bäumen fand und es klar war, dass hier reges Wildschweintreiben sein würde. So lagen wir also am Felsen auf einer kleinen geraden Fläche und diese Nacht war so dunkel, so etwas hatte ich noch nie erlebt. Von weitem sah ich ein kleines Licht, von dem ich schon dachte, hier läuft einer mit ner Taschenlampe - aber beim Näheren Erforschen stellte ich dann fest, das war der VOLLMOND, der hinter dem extrem dichten Blätterdach blinzelte. Es war so dunkel, ich konnte meine Hand vor Augen nicht sehen! Naja, jedenfalls der Kumpel, von dem ich mir Schutz erhoffte, schlief gleich mal an seinem 3 Meter entfernten Schlafplatz prompt ein. Als er dann leicht zu schnarchen begann, dachte ich direkt an Wildschweine - mein Gott - und ich brauchte eine ganze Weile, bis ich erkannte, dass er das war! Aber da in dem Waldstück bergab war wirklich richtig was los! Knacken, Laufen, Rascheln, BEWEGUNG. Ständige Bewegung!

Ein schreiender Vogel, wie immer in jeder Nacht, plötzlich, einmal, und vorbei. Und dann polterte es im unteren Wald! Das war so laut, dass ich dachte, jetzt ist ein komplettes Küchenregal samt Inhalt auf harten Boden gefallen! Was das gewesen sein mag, ich weiß es nicht, jedenfalls saß ich erst mal kerzengerade! Das Austreten war ein Blindflug. Schwarze Nacht! Schwarz! Ich mußte mein kleines Lämpchen mitnehmen, das ich immer mal kurz anmachte, damit ich überhaupt irgendetwas sehen konnte. Mein Kumpel lag in ein weißes Laken gehüllt und ich wäre fast drüber gestolpert, da die Nacht selbst das Weiß komplett verschluckt hatte.

Auf jeden Fall hatte er die ganze Nacht durchgeschlafen, wie er berichtete zwar leicht - aber ich für mich hatte das Gefühl, auf mich allein gestellt gewesen zu sein. Von wegen Schutz! *lach :-))

 

Jetzt aber war ich soweit. Ich konnte auch allein gehen. Und das tat ich.

 

 

DIE ERSTE NACHT ALLEIN

Meine erste Nacht allein war wunderschön. Ich hatte mich vor einen Brombeerstrauch gelegt, so dass ich den Rücken schon mal frei hatte und mich von hinten nichts überraschen würde.  So genoß ich erst mal den Abend. Als die Dämmerung begann, wurde mir vorerst mal wieder anders. :-)) Dieses Rascheln und nicht sehen, was es ist, regt auf. Ich bin "wachsam". Und ganz ehrlich, zuerst einmal war um mich herum echt was los. Hinter mir in dem Brombeerstrauch hörte ich es immer wieder rascheln und ich dachte: das ist was Größeres. Ein Marder? Jedenfalls in dieser Größe drehte sich da einer um sich selbst und wuselte.

Noch bevor es richtig dunkel wurde, dachte ich noch: ich geh wieder. Das schaff ich nicht! Aber ich blieb.

Die Vögel verstummen irgendwann. Es wird einfach still im Wald. Direkt an meinem Moskitonetz raschelte was vorbei. Das war klein. Okay. Und während ich mich in meinen Schlafsack begab, ruhig da lag und allen Geräuschen um mich herum lauschte, merkte ich, dass ich das Meiste einordnen konnte. Dies ist das, das ist jener, das ist welcher. Trotzdem regte es mich auf, dass immer irgendwer in meiner Nähe irgendwas machte. Und ich nicht sah, wo er war. Und ich hatte keine Tür. Keine Wand. 

 

Und ich fragte mich, was kann ich eigentlich tun, um in dieser Wuselei fremder Wesen Schlaf zu finden? Dann kam mir folgender Gedanke: für diese fremde Wesen bist auch Du ein fremdes Wesen. Auch sie müssen mit dem Rascheln Deines Schlafsackes zurecht kommen, wenn Du Dich umdrehst. Auch sie hören Deinen Atem, hören Dein Hüsteln, riechen Deinen Duft. Auch sie müssen akzeptieren, dass Du da bist. Nun bist Du hier nicht in einem Haus voller Wände und Beton. Abgetrennt von allem. Du bist hier in einem riesengroßen Schlafsaal. Wärest Du darin mit anderen Menschen, müßtest Du mit all den Geräuschen leben, die sie so machen in der Nacht. Mal aufhusten. Mal Niesen. Mal umdrehen und mal rascheln. Es könnte helfen, wenn Du diese fremden Wesen in Dein Herz aufnimmst und damit einverstanden bist, dass Du mit ihnen einen großen Schlafsaal teilst. Dann wird es gehen.

 

In diesen Rat habe ich mich hinein begeben. Immer wieder alles in mein Herz genommen und mich als Teil all dieser Geräusche und Bewegungen begriffen.

Das hat eine Weile gedauert, bis es in mich hinein sank. Doch es sank.

Und ich habe ganze 6 Stunden am Stück geschlafen!

 

Am Morgen wurde ich von einem Rotkehlchen begrüßt, das direkt vor mir auf einem Ast saß und mich ansah. Ich war erleichtert, dass es wieder hell wurde und die Vögel wieder zu hören waren. Und gleich links - da hüpfte gerade ein Reh ins Dickicht hinein. Ich fühlte mich sehr beschenkt. Ich war glücklich, dass ich diese Nacht so gut gemeistert hatte und auch, dass ich mich ausgeschlafen fühlte. So blieb ich noch eine ganze Weile an dem Ort und genoss die Bäume, die Vögel und die Helligkeit. :-)

 

GRUSELNACHT

Es gab auch eine Gruselnacht. Oh weh. Ich hatte mich super gut versteckt. Niemand hätte mich finden können. Ich lag unter dem Dach eines umgefallenen Baumes. Natürlich war ich schon am frühen Nachmittag im Wald und hatte mir viel Zeit genommen, mein Plätzchen zu finden. Dann halte ich mich auch gerne lange noch im Hellen um meinen Platz herum auf, um ein Gefühl für meine Umgebung zu bekommen. Ich fühlte mich sehr wohl und sicher. In meinen Schlafplatz mußte ich regelrecht reinklettern und als die Dämmerung vorbei war und es dunkel wurde, spürte ich eine leichte Änderung der Energie um den Ort. Das verstand ich nicht. Mein Versteck war das Sicherste, das ich je gefunden hatte und doch hatte sich irgendetwas verändert. Ich konnte das nicht einordnen und weil alles schon so schön vorbereitet war, kletterte ich nun in meine "Höhle". Ich war hinten und seitlich komplett eingehüllt von dem Baum - nur nach vorne hatte ich meinen "Fluchtweg", oder den Zugang von jemandem im Außen. Man weiß ja nie, nicht wahr? :D

Die Nacht begann ruhig. Bis plötzlich gleich über mir irgendwas vom Baum PLUMPSTE! BÄMM, Rumpel, Klatsch! Nach dem ersten Schreck ob der Lautstärke dachte ich lachend: "das war wohl ein Eichhörnchen, das im Schlaf herunter gefallen war." Ob das stimmt, weiß ich nicht. Nagut, ab hier das bereits bekannte Schöne. Der leichte Wind, der Uhu, ein plötzliches Kreischen von oben, (wo ich immer denke, dass muss ein Vogel sein, der schlecht geträumt hat), leises Rascheln.......Doch plötzlich ein Knacken. ......Ein lautes Knacken. Da war jemand auf einen fetten Ast getreten. Oha! Der Lautstärke nach zu urteilen, war das ein dicker Ast, also ein großes Etwas. Ich lauschte. Es dauerte ca. 20 Minuten und es knackte wieder. Ich schätzte so in einer Entfernung von vielleicht 250 Metern. Das Knacken von schweren Ästen wiederholte sich immer wieder in Abständen von 20-30 Minuten und kam näher! Oh Mann! Ich hatte das Gefühl, da kreist etwas um mich herum, das sich meiner Gegenwart bewußt war, ohne mich sehen zu können. Was ja auch im Grunde unmöglich war. ;-) Aber offensichtlich war es auf der Suche nach mir! Das Ganze dauerte mehere Stunden! Ich kann nicht sagen, WIE gruselig das war. Ich wußte nicht, ist es ein Mensch, ein Tier - und welches Tier? Ein Wildschwein erschien mir abwegig, wenn, war es ein Hirsch. Und mir ging nicht in den Kopf, wie der Hirsch mit seinen kleinen Hufen immer wieder so einen schweren Ast mit seinen Schritten durchbrach. Würde er da nicht lieber daneben treten? Konnte es also ein Mensch sein? Ein böser Mann, der mein Fahrrad zwischen den Bäumen (zwar gut bedeckt) aber gefunden hatte und jetzt auf der Suche nach dem Besitzer war? Da das Knacken in so großen Abständen erfolgte, gab es zwischendurch immer die Hoffnung, das Etwas hätte sich entfernt. Ich wollte immer mal wieder austreten, verließ mein Versteck und bewegte mich in der näheren Umgebung. Seltsamerweise hatte dann weniger Angst. Liegend in meiner Baumhöhle kam ich mir auch ein bißchen gefangen vor. 

Jedenfalls ging das ab ca. 2 Uhr die ganze Nacht so weiter. Ich blieb tapfer und hielt meine Angst. Als dann um halb 6 der nächste Ast knackte, und zwar näher als je zuvor, war ich es leid. Ich dachte, das halte ich keine Sekunde mehr aus. So holte ich meine Stirnlampe aus dem Rucksack, (ich mache Nachts nie Licht an. Ich will nicht gesehen werden und meine Augen sind gut an die Dunkelheit gewöhnt, so dass ich kein Licht brauche) und packte jetzt mit voller Beleuchtung meine Sachen lautstark zusammen, stapfte laut und voll beleuchtet aus der Tiefe des Waldes zu meinem Rad, schloß alles fest und schob mein Rad durch das Dickicht bis zu irgendeinem befahrbaren Weg. Um 6.00 Uhr am Weg angekommen radelte ich erleichtert aus dem Wald heraus - um dann 90 Minuten später zu Hause zu sein.

Diese Nacht hatte mich noch eine Weile beschäftigt. Am nächsten Tag ging ich mit einer Freundin zu dem besagten Platz, um die Umgebung meines gestrigen Schlafplatzes nach Spuren abzusuchen. Es gab jedoch nichts Auffälliges zu sehen. Wir hielten uns fast den ganzen Tag an dem Platz auf, schnitzten, brunchten und quatschten. Es war ein schöner Ort und wir fühlten uns sehr wohl. Die Zeit völlig vergessen brach dann die Dämmerung ein und meine Freundin sagte: Also ganz ehrlich, sobald das hier zu dämmern beginnt, ändert sich die Energie. Jetzt fühlt es sich gar nicht mehr so einladend an. Das fühlte ich auch so. Und je mehr die Dämmerung voranschritt, umso mehr beeilten wir uns, den Platz zu verlassen. Es schien, als würde der Ort im Wald sich hier schließen. Sein rhythmisches Rauschen forderte uns auf, zu gehen.

Das war das zweite Mal, dass ich so etwas wahrgenommen hatte. Diesmal nahm ich es noch bewußter auf und behielt es im Hinterkopf. Wenn ich es mir auch nicht erklären konnte, so sollte es mir im Laufe meiner zukünftigen Waldbesuche noch ein paar Mal begegnen. Und was genau in dieser letzten Nacht vor sich gegangen war, blieb Spekulation.

 

SCHNELL WEITERMACHEN!

Diese Nacht saß mir derart in den Knochen, dass ich wußte, ich muß sofort wieder in den Wald zum Schlafen. Es muß schnell eine neue Erfahrung herein, sonst knockt mich das aus. Und gleich das Wochenende drauf lag ich wieder im Wald. In einem anderen zwar, ich probiere ja immer wieder was Neues aus, und so fuhr ich in ein Waldstück nah an der Dhünn.

Bevor ich den Wald betrete, begrüße ich ihn immer zuerst und bitte um Einlass. Meine nächste Nacht war gekennzeichnet von Fuchsschreien, die sehr laut durch die Nacht brachen - aber abgesehen von herabfallenden Eicheln blieb es ansonsten ruhig und entspannt. Ich hatte genug geschlafen, fühlte mich kraftvoll und habe den darauffolgenden Tag auch noch dort verbracht.  Am frühen Abend erst fuhr ich nach Hause. 

 

WENN DER WALD SICH SCHLIESST

Nun habe ich während meiner vielen darauffolgenden Waldbesuche, die nicht immer mit einer Übernachtung einher gehen, aber durchaus sehr lang sind und auch in die Dunkelheit führen, so einige interessante Beobachtungen und Erfahrungen gemacht. Es geschieht nicht oft, aber wenn es geschieht, ist es für mich mittlerweile sehr deutlich.

Ich habe einen festen Platz, den ich öfter besuche. Ob ich dort nun übernachte oder nicht. Ich verbringe Zeit dort, schnitze, baue was, baue es dann wieder ab, weil ich den Wald immer so verlasse, wie er war, bevor ich dort war. Dann bin ich dort, vergnügt und freudig, spüre das Wohlwollen der Bäume und des Windes, lausche dem rhythmischen Rauschen der Blätter - das ist schon ein echtes Phänomen. Wenn man so ein paar Stunden im Wald herumsitzt, merkt man es erst. Dieses aus dem Nichts aufkommende Rauschen der Blätter, wie ein Wind, der im inneren Raum des Waldes zu entstehen scheint, aufkommt und wieder abebbt. Es geschieht immer wieder. Manchmal dauert es eine Stunde, bis es geschieht - manchmal eine Halbe - und wusch .....!

Baumwipfel bewegen sich, Blätter rauschen, ein Wind zieht durch den Wald und wusch ...... alles ist wieder still und bewegungslos. Das stelle ich in allen Wäldern fest. Und meistens ist es eine Freude, die in mir aufkommt. 

Ein "Hallo, schön, dass Du da bist"-Gefühl, das beidseitig singt.

Der Wald, der spricht. Nicht nur zu mir, es sind soviele Menschen im Wald unterwegs, soviele Tiere, aber es ist immer wieder ein freudiges "Hallo - schön, dass Du da bist". Und immer, wenn der Wald zu sprechen beginnt, halte ich inne und höre zu.

 

Nun war ich also wieder an meinem Platz und schnitzte irgendwas, als der Wald wieder zu sprechen begann. Diesmal war das Rauschen aber ganz anders! Es forderte mich auf zu gehen! Und zwar wahrlich entschlossen, warnend und unzweideutig. Der Wald begann sich zu schließen. Und schloß mich aus. Ich fühlte noch eine Weile dahin, wartete auch auf den nächsten Wind, der in der Tat noch deutlicher wurde. Ich bekam Angst. Ich meine, ich saß da am hellichten Tag und nichts Außergewöhnliches geschah. Doch ich bekam Angst! So packte ich meine Sachen und fuhr aus dem Wald. Als ich draußen war, dachte ich noch: vor was wollte er mich jetzt beschützen? Oder was geschieht da jetzt, das mich nichts angehen soll?

 

Nagut. An diesem Tag begann es dann auf meiner Heimfahrt zu regnen. Als ich auf der Mitte des Weges angekommen war, schüttete es in Kübeln und windete auch sehr stark. Ich mußte anhalten und mich unterstellen, weil ich nichts mehr sehen konnte. Regenklamotten hatte ich keine dabei. Hätte ich die erste Warnung bereits umgesetzt, wäre ich wohl noch trocken zu Hause angekommen, aber so war nicht dran zu denken. Ich fuhr dann etappenweise nach Hause, da der Regen mal schwächer und mal stärker wurde.

 

Trotzdem glaube ich tief, dass es auch andere Gründe für solche "Nachrichten" gibt. Weil ich es auch schon mal wahrgenommen hatte, als ich durch den Wald streifte und sich dann eine unsichtbare Mauer auftat. Rauschen.

Hier nicht lang! Dieser Weg führt Dich in einen Bereich, der Dich heute nichts angeht! Hier störst Du heute durch Deine Anwesenheit. Geh drumherum.

Ich muß darauf hören, weil es gruselig wird. :-) Es ist, als würde der Wald mich an diesem Ort nicht einlassen. Weg drücken. Und sollte ich doch ein paar Schritte hinein gehen in diesen verbotenen Bereich, dann spuckt er mich regelrecht wieder aus. Ich muß zurück und raus da. An anderen Stellen kann ich dann auch entspannt weiter gehen.

Ja. Was soll ich sagen. Geheimnisse, die ich noch nicht gelüftet habe. Vielleicht auch nie lüften werde? Bei solchen Vorgängen müßte man täglich dort unterwegs sein, um eventuelle Veränderungen zu bemerken, etwas, was sich umgebaut hat, Dinge, die jetzt anders sind als am Tage vorher.

Da ich aber noch nicht so direkt am Wald wohne, sondern immer hinreisen muß, ist das mit dem "täglich" so eine Sache. :-)